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«Ich hoffe, dass die Krise unsere Gesellschaft zusammenschweisst»

«Ich hoffe, dass die Krise unsere  Gesellschaft zusammenschweisst» «Ich hoffe, dass die Krise unsere  Gesellschaft zusammenschweisst»

Patrick Meier, Geschäftsführer des Fussballverbandes Region Zürich, gibt einen ganz persönlichen Einblick in seinen Corona- geprägten Alltag und zeigt auf, was es bedeutet, als Vorgesetzter einen Sportverband herunterzufahren.

FRANZ FELDMANN

«Offen und ehrlich, mir ist es in letzter Zeit nicht gut gegangen», gibt Patrick Meier, Geschäftsführer des Fussballverbandes Region Zürich FVRZ, im Gespräch zu. Seit Bekanntgabe der Massnahmen und der Schliessung der Sportstätten musste der Fussballverband den ganzen Spielbetrieb auf Null herunterfahren. Das ist mit einem riesigen Aufwand verbunden. «Es war und ist schlichtweg nicht schön, wenn 47’000 Fussballerinnen und Fussballer nicht ihrem Hobby nachgehen können.» Diese Situation sei auch für die Vereine äusserst schwierig, das «tut weh», ergänzt Meier. Meier nimmt das Ganze schon fast persönlich. «Mein Fussballerherz ist gebrochen», gibt er unumwunden zu. Die Probleme sind vielfältig und bestehen nicht nur auf dem Fussballplatz. «Familien geben ihr Kind gerne ins Training und ans Spiel im Fussballclub. Das ist jetzt nicht möglich, die Kinder sind zu Hause.» Als Fussballverband will man eigentlich nicht den Betrieb herunterfahren. Dazu ist man nun gezwungen, auch finanziell. «Es entstehen riesige Mindereinnahmen.

Plötzlich Kurzarbeit

«Das zwingt uns, knallhart zu sparen.» So ist auch beim Verband nun plötzlich Kurzarbeit angesagt. «Es schmerzt mich, wenn ich Mitarbeitern sagen muss, dass sie nun weniger oder gar nicht mehr kommen können. Das braucht als Vorgesetzter viel Energie.» Natürlich ist sich Meier bewusst, dass es ganz vielen Leuten nun so gehe. So musste er lernen, auch auf sich selbst aufzupassen. «Heute bin ich so weit, dass ich mich auch an ganz kleinen positiven Dingen freuen kann», sagt er. Oder er versucht es zumindest. Immer gelingt es ihm noch nicht, doch er sei «auf dem Weg der Besserung». Denn die Ereignisse in der letzten Zeit sind nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.

Was heisst es nun im Detail, wenn man als Verband einen ganzen Spielbetrieb herunterfahren muss? «Über eine ganze Saison hinweg gesehen haben wir knapp 25’000 Spiele.» Das heisst, wenn eine ganze Rückrunde nicht gespielt wird, müssen für gut 12’000 Partien beispielsweise keine Schiedsrichter aufgeboten, keine Spielverschiebungen vorgenommen oder kontrolliert, keine gelben und roten Karten verarbeitet werden. «Das alles ist normalerweise unser ‹daily business›. » Auch ist der Kontakt zu den Vereinen, der aus dieser ganzen Arbeit heraus entsteht, praktisch zum Erliegen gekommen. Das sei schon extrem für die Mitarbeiter.

Ganz ruhig seien die Telefone auf der Geschäftsstelle des FVRZ schon nicht, weiss Meier. «Ich stelle fest, dass viele Vereine das Bedürfnis haben, einfach zu reden, um der Verunsicherung Ausdruck zu verleihen.» Das sei eben auch eine wichtige Funktion eines Sportverbandes. «Genau in einer solchen Krisensituation ist es wichtig, dass wir als Ansprechpartner für unsere Vereine zur Verfügung stehen», hat Meier auch seinen Mitarbeitern auf den Weg gegeben. Spezielle E-Mails würden nun nach Möglichkeit mit einem Telefonanruf beantwortet. Es gebe Themen, da könne man durchaus weiterhelfen. Zum Beispiel mit Links zu Internet-Seiten, die in gewissen Situationen Klarheit schaffen, beispielsweise bei Fragen zur Kurzarbeit.

Viele positive Gespräche Trotz der schwierigen Situation, in der nun alle stecken, sieht Meier durchaus etwas Positives für die Gesellschaft, der es bis anhin sehr gut gegangen ist und die mehr und mehr von Egoismus geprägt wird. «Dass sich mit der Krise die Gesellschaft wieder vermehrt zusammenschweisst und grundlegende Elemente wie Solidarität und Respekt mehr gelebt werden. Wir sind alle im gleichen Boot, sei es im Fussball oder anderswo. » Die vielen Gespräche, die Meier in den letzten Tagen und Wochen geführt hat, seien alle durchaus positiv gewesen. Während einer regulären Saison ist dies nicht immer so. Vor allem bei verhängten Strafen seien Gespräche manchmal nicht einfach. «Diese Gespräche haben wir nun natürlich nicht.» Wie soll es weitergehen?

Nach dem Herunterfahren des Betriebes muss der FVRZ aber auch darauf vorbereitet sein, den ganzen Spielbetrieb wieder auf volle Touren fahren zu lassen. Was braucht es aus Sicht von Patrick Meier dazu? «Wir müssen uns ganz klar nach zwei Fakten richten. Als Erstes müsste der Bundesrat eine Lockerung der Massnahmen beschliessen, das ist einmal das Wichtigste. Als zweiter Punkt wird das Herauffahren des Spielbetriebes in Etappen erfolgen. Wann das sein wird, wissen wir natürlich heute noch nicht, da ausschliesslich die Gesundheit der Bevölkerung im Vordergrund stehen muss.» Eine weitere wichtige Komponente im Entscheidungsprozess wird der schweizerische Fussballverband sein, respektive die Amateurliga. «Ich weiss, dass die Amateurliga bestrebt ist, eine schweizweit einheitliche Lösung für den Breitenfussball anzustreben », so Meier weiter. Daran werde sich der FVRZ halten müssen, auch wenn man allenfalls eine andere Lösung gesehen hätte.

Auf jeden Fall sind die dem FVRZ angeschlossenen Vereine vom Verband mit einem Papier ausgestattet worden, in dem drei mögliche Szenarien beschrieben werden. Szenario 1: ein möglicher Rückrundenstart ab Anfang Mai. Willy Scramoncini, Leiter Spielbetrieb beim FVRZ, bezifferte die Chancen dazu auf «50 Prozent».

Bei Szenario 2 würde die Frühjahrsrunde nicht gespielt, sondern nur noch Testspiele abgehalten und die Cupspiele durchgeführt. Daraus resultiert, dass konsequenterweise keine Absteiger oder Aufsteiger möglich sind. Ausser, es steigt ein Verein freiwillig aus seiner Liga ab. Das dürfte souveräne Tabellenführer ärgern, abgeschlagene Schlusslichter freuen.

Die dritte Möglichkeit wäre, ein absoluter Spielunterbruch bis in den Sommer, keine Meisterschafts- wie auch keine Cupspiele mehr. Auch Turniere wären ausgeschlossen. Bereits hat der FVRZ die regionalen Cupfinals, die vom 25. bis 27. Juni in Kloten hätten stattfinden sollen, abgesagt.

Wohl wieder nach dem Sommer Ganz persönlich sieht Meier nicht, dass vor dem Sommer noch Fussball gespielt werden wird. «Mir ist es lieber, wir stehen die Corona-Krise in den nächsten Monaten durch und haben dafür eine grössere Sicherheit, dass wir in der neuen Saison wieder mit einem geregelten Spielbetrieb anfangen können.» Es bringe aus seiner Sicht nichts, die Meisterschaft um jeden Preis durchzudrücken und damit zu riskieren, dass die Virus-Infektionen in der Folge wieder ansteigen. Welche Eindrücke aus dieser nicht ganz einfachen, fussballlosen Zeit bleiben bei Meier hängen? «Im Moment noch zu viel Negatives, leider. Wir wissen, wie wichtig der Fussball gerade für unsere Kinder und Jugendlichen ist. Es schmerzt, wenn dieser wichtige Ausgleich fehlt. Mir bleibt aber auch die positive Bestätigung hängen, dass wir zu den Vereinen einen guten Draht haben.»

«Es war und ist schlichtweg nicht schön, wenn 47’000 Fussballerinnen und Fussballer nicht ihrem Hobby nachgehen können.»

Patrick Meier, Geschäftsführer des FVRZ

Patrick Meier steht als Geschäftsführer des FVRZ an vorderster Front. Die aktuelle Situation im Fussball schmerzt ihn sehr.

Foto: zvg

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