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Colorado im Viruszeitalter

Colorado im  Viruszeitalter Colorado im  Viruszeitalter

BRIEF AUS DEN USA

Seit der Ankunft des Coronavirus in Colorado gehen mehr Leute mit ihrem Hund spazieren. Und plötzlich fahren viele mit dem Fahrrad zum Supermarkt und zum Take- Out-Restaurant. Ganze Familien sind miteinander im Freien unterwegs. Fischerruten kommen zum Vorschein, wo sonst die Spielkonsole Vorrang hat.

Das Coronavirus hat also durchaus auch ganz gute Auswirkungen hier in Colorado. Wir sind der Schweiz in jedem Bereich etwa eine Woche hinterher. Alle Schulen sind seit dem 13. März geschlossen und die meisten Schulbezirke bereiten sich momentan auf den Online-Unterricht vor.

Mich überrascht die Solidarität der Amerikaner in dieser misslichen Lage. Unter der Woche kann man kostenlos Mittagessen und Frühstück für den nächsten Tag an verschiedenen Schulen abholen. Dort werden keine Fragen gestellt, sondern man kriegt die Lebensmittel und ein aufmunterndes Lächeln dazu. In den sozialen Medien zirkuliert eine Liste von kleinen Lebensmittelläden und Bauern, welche nun Heimlieferdienst anbieten. Der Stoffladen verteilt kostenlos einen Meter Stoff und Faden zusammen mit einer Anleitung, um Schutzmasken zu schneidern. Die fertigen Masken können dann im selben Geschäft abgegeben werden. Diese werden dann an die lokalen Spitäler verteilt. Sie sind für das Nicht-Corona-Pflegepersonal bestimmt. Wer keine Nähmaschine zu Hause hat, darf gerne in einem Hinterraum des Ladens vor einer Nähmaschine Platz nehmen. Natürlich wird auch dort der Sicherheitsabstand eingehalten. Die Dame, welche mir das bunte Heimarbeitsset überreichte, entschuldigte sich mehrmals über das Fehlen des Elastikbandes. Diese seien leider mittlerweile eine Mangelware.

Einige Kirchen bieten eine kontaktlose Kommunion durchs Autofenster an. Andere Kirchen bieten Gebete durchs Autofenster an. Auch die vom Arzt angeordneten Virustests können bequem und sicher durchs Autofenster abgewickelt werden. Alles ist für einmal schweizerisch blitz blank sauber und einige Familien scheinen es sich zum Ziel zu setzten, gemeinsam Abfall am Strassenrand einzusammlen. Bettler sind immer noch an grossen Strassenkreuzungen zu sehen. Sie haben aber des Lächeln wiederentdeckt. Insgesamt haben die Leute in Colorado das Lächeln und das über den Gartenzaun Schwatzen wieder für sich entdeckt. Und die Sonne lächelt heiter mit. Auch der älteren Dame wird beim Spaziergang durch den Park lächelnd der Vortritt gelassen.

Die Risikogruppe darf am Morgen früh im Supermarkt einkaufen gehen, dann wenn die Gestelle noch voll sind. Und eine hinter der Maske lächelnde Dame putzt den Einkaufswagen gleich fünfmal mit dem Desinfiziermittel für jeden Kunden. Ihre Arkeitskollegin wiederholt das Ganze nochmals bevor man im Laden suchen geht, was gerade so zu finden ist.

Die Einsiedlerin Regula Grenier-Flückiger (*1973) zügelte 2007 nach Denver im amerikanischen Bundesstaat Colorado, am Fusse der Rocky Mountains. Seit 2011 wohnt sie im Nachbarort Thornton. Dort kamen 2011 Sohn Cody Frederick und 2015 Tochter Stephanie Nova zur Welt.

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