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«Es ist schwierig, Angehörige nicht mehr treffen zu dürfen»

«Es ist schwierig, Angehörige nicht mehr treffen zu dürfen» «Es ist schwierig, Angehörige nicht mehr treffen zu dürfen»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie geht es Ihnen in diesen bewegten Zeiten?

Auch wenn die gegenwärtige Situation nicht spurlos an mir vorbei geht, fühle ich mich soweit gut. Die Pandemie fordert in der Gerbe alle. Ich habe aber das grosse Glück, auf sehr engagierte und motivierte Mitarbeitende zählen zu dürfen. Ebenfalls bin ich in engem Kontakt mit Alfred Lienert, Präsident der Genossenschaft für Alterssiedlungen Einsiedeln. Unterstützung kommt von überall, sei dies durch Freiwillige, den Bezirksführungsstab oder die anderen Institutionsleitungen. Zudem kann ich auf das grosse Verständnis unserer Bewohner und der Angehörigen zählen. Sehr wertvoll ist für mich auch der intensive fachliche und menschliche Austausch mit Markus Forster, Heimleiter des Alters- und Pflegeheims Langrüti. Wie schützen Sie sich selber vor dem Virus? In der Gerbe setzen wir alle notwendigen Massnahmen strikt um. Dies gilt logischerweise auch für mich. Private Kontakte beschränke ich auf meine Familie. Sie ist sich bewusst, dass ich in einem Umfeld mit besonders gefährdeten Menschen arbeite, und verhält sich deshalb besonders vorsichtig. Gehen Sie täglich ins Altersheim oder machen Sie Homeoffice?

Meine Arbeit findet nach wie vor in der Gerbe statt. Es ist im Moment wichtiger denn je, die Situation vor Ort mitzuerleben und zu spüren, was unsere Bewohner und Mitarbeitenden beschäftigt sowie unmittelbar an der Bekämpfung der Pandemie mitzuwirken.

Gibt es Fälle von Coronavirus in Ihrem Heim, bei Bewohnern oder beim Personal? Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich diese Frage aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes gegenüber unseren Bewohnern und Mitarbeitenden nicht beantworten darf. Wäre es möglich, dass Bewohner im Heim bleiben könnten, wenn sie sich angesteckt haben?

Selbstverständlich können betroffene Bewohner in der Gerbe bleiben. Oberste Priorität hat dabei die Isolation im Zimmer. Zudem werden sofort sämtliche Massnahmen zum Schutz der Mitbewohner und der Mitarbeitenden getroffen sowie ärztliche Hilfe beigezogen. Wie schützen Sie die Bewohner des Heims? Wir setzen die Massnahmen des Bundesamts für Gesundheit sowie die Weisungen des Kantons Schwyz strikte um. Wir vermeiden Ansammlungen von mehr als fünf Personen, indem wir zum Beispiel die Mahlzeiten in den Zimmern servieren. Bei Tischen steht nur ein Stuhl. Gruppenaktivitäten wurden eingestellt. In der Hauskapelle finden keine Gottesdienste statt.

Gilt ein Besuchsverbot?

Der Kanton Schwyz hat bereits am 16. März ein Besuchsverbot sowie ein Ausflugsverbot für die Bewohner von Alters- und Pflegeheimen erlassen. Dürfen Angehörige ins Heim kommen im Sterbefall? Die aktuelle Lage kann Sterbende und ihre Angehörigen sehr belasten. In der Sterbephase dürfen die engsten Familienangehörigen ihr Familienmitglied besuchen. Aber selbst in palliativen Situationen müssen die Betroffenen mit grossen Einschränkungen zurechtkommen. So ist vorgeschrieben, dass die Geschäftsleitung den Zutritt bewilligen muss, sich höchstens zwei Besucher gleichzeitig im Zimmer aufhalten dürfen und die Dauer des Besuchs beschränkt wird.

dürfen?

Unsere Bewohner dürfen sich auf dem Gerbe-Areal aufhalten. Sie können sich also an der frischen Luft frei bewegen. Die grösste Belastung für unsere Bewohner ist das Besuchsverbot, das auch für das Gerbe-Areal gilt. Es ist sehr schwierig, seine Kinder, Grosskinder oder Urgrosskinder nicht mehr treffen zu dürfen. Wie können Sie Schwermütigkeit bei Bewohnern auffangen, wenn diese aufgrund der Isolation der Bewohner auftreten sollte? Wir versuchen – zum Beispiel mit Aktivitäten von maximal vier Bewohnern und dem vorgeschriebenen Abstand – Abwechslung zu bieten. Mitarbeitende begleiten Bewohner in unseren Gerbe- Park. Wir klären und nutzen die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation wie Livestreams von Gottesdiensten, Skype und so weiter. Zudem erfreuen sich unsere Bewohner an kleinen Gesten oder Überraschungen wie Zeichnungen oder Bastelsachen von Kindern, Telefonaten oder – wie zu früheren Zeiten – Postkarten. Wie lange ist es zumutbar, dass die Bewohner quasi in Quarantäne bleiben müssen? Für mich lautet die Frage vielmehr: Wie lange müssen unsere Bewohner mit diesen einschneidenden Massnahmen zurechtkommen? Die Antwort kenne ich nicht. Wie lange es dauern wird, bis unsere Bewohner wieder ihre gewohnte Freiheit zurückerhalten, hängt vom Verlauf der Pandemie ab. Wie kann man Senioren, die vielleicht nicht mehr allzu lange leben können, erklären, dass sie nun quasi in ihrer letzten Lebensphase eingesperrt sind und ohne Kontakte verbringen müssen? Wir führen mit unseren Bewohnern viele Gespräche. Unsere Mitarbeitenden versuchen, Ängste und Befürchtungen zu mildern und individuelle Wünsche zu erfüllen. Dies ist eine herausfordernde Situation für unsere Mitarbeitenden, die alle mit den Bewohnern mitfühlen. Dank des ausserordentlichen Engagements und der grossen sozialen Kompetenz unserer Mitarbeitenden gelingt es uns, diese emotional schwierige Zeit zu meistern. Allen Mitarbeitenden danke ich darum herzlich. Gibt es Bewohner in Ihrem Heim, die lieber in Kontakt mit ihren Angehörigen treten würden und das Risiko einer Ansteckung eingehen wollen? Jeder Bewohner, jede Bewohnerin erlebt die gegenwärtige Situation individuell. Wer sich wie verhalten würde, wenn …: Dies kann nur der oder die Betroffene selbst beantworten. Wir versuchen unseren Bewohnern aufzuzeigen, dass sie mit einem solchen Verhalten auch die Gesundheit ihrer Mitbewohner und unserer Mitarbeitenden gefährden würden. Nun soll die Welle kommen: Gibt es weitere Massnahmen, die Sie ins Auge fassen? Wir handeln gemäss den Vorschriften von Bund und Kanton und unserem internen Pandemiekonzept und sind somit gut vorbereitet.

Clemens Egli ist in Zeiten der Coronakrise stark gefordert. Eine grosse Sorge bereitet dem 56-jährigen Geschäftsführer des Alters- und Pflegezentrums Gerbe in Einsiedeln die Ungewissheit, wie lange die Bewohner des Heims noch in Quarantäne bleiben müssen.

Clemens Egli ist Geschäftsführer im Alters- und Pflegezentrum Gerbe in Einsiedeln. Wie gehen die Bewohner damit um, dass sie nicht mehr hinaus und keine Besuche mehr empfangen Foto: zvg

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