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Schneesturm

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BRIEF AUS DEN USA

Die Wetterkapriolen in Colorado führen manchmal zu interessanten Schulwochen. Ich frage mich immer wieder, wie arbeitende Eltern die damit verknüpften logistischen Herausforderungen meistern.

Vor ein paar Wochen konnten wir noch im T-Shirt und ohne Jacke aus dem Haus gehen. Am nächsten Tag war Eisregen und Schnee angesagt.Am Morgen um 5 Uhr klingelte nicht nur mein Handy, sondern auch Leos. Die monotone Automatenstimme teilte uns mit, dass wir länger schlafen können. Aufgrund des wütenden Schneesturms begann der Schulunterricht erst zwei Stunden später. Schlaftrunken stellte ich erst mal den Wecker ab und wagte es, aus dem Fenster zu blicken. Zu jener Zeit lagen etwa drei Zentimeter Neuschnee auf der Strasse.

Es schneite an jenem Tag munter weiter und nach der Schule lag genügend Schnee im Stadtpark für eine flotte Bobfahrt. Der nächste Tag schien vorerst ereignislos zu verlaufen – bis um zehn Uhr am Morgen wiederum das Telefon klingelte. Dieses Mal wurde uns von derselben Automatenstimme mitgeteilt, dass dank des anhaltenden Schneetreibens die Schule zwei Stunden früher zu Ende sei und wir die Kinder jederzeit abholen können. Die Stimme meines Schweizer Gewissens murmelte mir ins Ohr, dass es in Ordnung sei, meinen Sohn pünktlich zur neuen Zeit abzuholen. Er könne die glitzernden Schneeflocken ganz gut aus dem Schulzimmerfenster beobachten. Die kurze Fahrt zur Schule verlief ohne Zwischenfälle. Von 30 Schülern waren nur noch 10 im Unterricht. Alle anderen wurden von den Eltern frühzeitig und natürlich mit dem Auto abgeholt.

An diesem Abend sanken die Temperaturen weiter und die Landschaft verwandelte sich in ein idyllisches Winterwunderland. Wiederum klingelte das Telefon. Diesmal hiess es, dass am folgenden Tag die Schule wegen des anhaltenden Sturms und der bedenklich tiefen Temperaturen komplett anulliert sei.

Mein Zweitklässler war nicht traurig über diese Neuigkeit. Im Gegenteil, er jubelte und schlief danach lange und tief. Nach einem Puzzle- und Spielvormittag sauste er am Nachmittag mit dem Bob über die kleine Schanze im Stadtpark. Er war traurig, als am vierten Tag der Schulbetrieb wieder normal vonstatten ging. Während des schrecklichen Schneesturms im Oktober fielen etwa total 10 Zentimeter Schnee und das Thermometer zeigte minus 14 Grad Celsius an. Den Pflug sahen wir nur auf den Hauptstrassen und nur die Mutigsten wagten sich trotz Sonnenschein am Nachmittag aus dem Haus. Wenige Tage später schmolz auch der letzte Schnee in den Schattenbereichen und wir konnten bereits wieder ohne Jacke nach draussen gehen. In einigen Tagen soll es wieder schneien und ich bereite mich mental schon jetzt auf den frühmorgendlichen Anruf vor.

Regula Grenier

* Die Einsiedlerin Regula Grenier- Flückiger (*1973) zügelte 2007 nach Denver im amerikanischen Bundesstaat Colorado, am Fusse der Rocky Mountains. Seit 2011 wohnt sie im Nachbarort Thornton. Dort kamen 2011 Sohn Cody Frederick und 2015 Tochter Stephanie Nova zur Welt.

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