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«Wir wollen Geschichte schreiben»

«Wir wollen Geschichte schreiben» «Wir wollen Geschichte schreiben»

Ringertrainer Urs Bürgler über die Chancen Einsiedelns gegen Kriessern im Kampf um Bronze – und über die Faszination des Sports

Am Sonntag geht es um die Wurst – im ersten Kampf der Ringerriege Einsiedeln gegen die Ringerstaffel Kriessern um die Bronzemedaille in der Swiss Winforce League, der höchsten Schweizer Liga. Trainer Urs Bürgler erklärt im Interview, wie die Chancen der Einsiedler stehen.

WOLFGANG HOLZ

Herr Bürgler, wie gross ist der Hunger der Einsiedler auf Edelmetall nach den vierten Plätzen in den letzten beiden Jahren?

Der Hunger ist sehr gross. Wir haben im mentalen Bereich sicher Vorteile gegenüber den Ringern aus Kriessern, weil die ja die letzten drei Jahre Meister waren, und jetzt möglicherweise Probleme haben, sich «nur» auf Bronze zu fokussieren. Wie realistisch sind denn die Chancen zu gewinnen? Die Chancen stehen wohl bei 50:50. Unser Plus ist, dass wir sehr schwer einzuschätzen sind und über verschiedene Varianten in den einzelnen Gewichtsklassen und den beiden Kampfstilarten verfügen. Wir wollen Geschichte schreiben und nach 30 Jahren wieder nach Edelmetall greifen. Sind Sie überrascht, dass der Gegner am Sonntag Kriessern heisst und nicht Freiamt? Es war sicher eine Überraschung, dass Kriessern im Kampf gegen Freiamt zwei Schulterniederlagen hinzunehmen hatte: Hutter gegen Vollenweider und Hungerbühler gegen Maltsev. Dadurch sind ihnen unerwartet acht Punkte verlorengegangen.

Aber wie stark ist Kriessern wirklich, und was stimmt Sie optimistisch für die beiden Ringkämpfe? Auf dem Papier ist die Ringerstaffel Kriessern sicher sehr stark. Aber wir werden unsere Schützlinge taktisch so einstellen, dass es knappe Kämpfe geben wird. Wobei uns die Rückrunde sicher besser liegt als jetzt am Sonntag die Hinrunde, weil wir in den einzelnen Gewichtsklassen und Stilarten – Griechisch-Römisch und Freistil – besser variieren können. Wie ich aber aufstellen werde, kann ich jetzt noch nicht sagen. Das ist streng geheim bis zum Wägen um 14 Uhr am Sonntag. Was sind insgesamt die Stärken und die Schwächen des Einsiedler Teams?

Wir haben ein sehr motiviertes Team, das sehr trainingsfleissig ist. Vielleicht ist die mangelnde Konstanz in den Kämpfen eine Schwäche. Und ich konnte als Trainer in dieser Saison nicht so viele Doppellizenzen aus niedriger klassierten Vereinen einsetzen, wie ich mir das gewünscht habe. Das war sicher ein Nachteil.

Ein Vorteil am Sonntagnachmittag in der Sporthalle könnte für die Ringerriege Einsiedeln die grosse Heimkulisse sein. Mit wie vielen Zuschauern rechnen Sie?

Ich rechne schon mit 700 bis 800 Zuschauern. Sonst sind es im Schnitt meist 400 bis 500. Grundsätzlich sind die Zuschauer sehr wichtig: Wir hoffen natürlich, dass das Heimpublikum uns gut unterstützt und motiviert – dass gejubelt wird. Welche Einsiedler Ringer haben in dieser Saison auf Sie den grössten Eindruck hinterlassen?

Da ist sicher Kai Neyer. Der 17-Jährige war letztes Jahr schon erfolgreich im Freistil im Einsatz. Und auch Lars Neyer hat sich als 20-Jähriger bereits sehr gut in der Swiss Winforce League etabliert. Auch Andreas Burkard hatte bis jetzt eine starke Saison. Werden Sie Kriessern mit einer speziellen Aufstellung überraschen?

Wir werden die bestmögliche Aufstellung bringen, die uns zur Verfügung steht. Was ist eigentlich das Faszinierende am Ringen – wenn Sie dies Laien erklären müssen? Den klassischen Kampfsport kennt ja heute nicht mehr jeder, Fussball ist bei den Jungen angesagt. Das ist leider so. Ringen ist ein fairer Kampfsport von Mann gegen Mann. Das heisst, es gibt einerseits einen Schiedsrichter und andererseits keine verbotenen Griffe. Eigentlich ist Ringen ein idealer Sport für jedes Kind. Einsiedler Mütter, die ihre Sprösslinge im Ringen haben, erzählen mir, dass ihre Kinder viel ruhiger geworden seien, seit sie im Ringen sind. Sie hätten bessere schulische Leistungen und müssten nicht den starken Mann mimen. Ringen ist die beste Selbsterfahrung.

Ist Ringen heutzutage eigentlich eher ein ländlicher Sport? Das kann man so nicht sagen. Es gibt x Dörfer in der Schweiz, die sich zu Ringerhochburgen entwickelt haben. Zum Beispiel Hergiswil und Willisau. Oder Oberriet und Kriessern. Die beiden letzten Vereine haben auch Schwingklubs. Apropos Schwingen. Was ist denn der Unterschied zum Ringen und ist es nicht frustrierend, dass Schwingen so viel

Schwingen ist halt Nationalsport, der durch die Medien gross gemacht wird. Schwingen ist Volksfest. Dabei haben Ringen und Schwingen ähnliche Kampftechniken. Allerdings ist Ringen viel strenger als Schwingen, weil man sich während sechs Minuten reiner Kampfzeit immer bewegen muss, man darf sich nicht passiv verhalten. Das ist im Schwingen anders, wo auch die Kampfzeit von fünf bis acht Minuten einfach durchläuft. Nicht zuletzt ist die finanzielle Unterstützung fürs Ringen viel geringer als beim Schwingen. Deshalb ist es schon ein bisschen frustrierend, dass Ringen nicht populärer ist. Wie körperlich anstrengend und verletzungsanfällig ist Ringen im Vergleich zu Fussball etwa? Ringen ist eine der härtesten Sportarten, bei der man ständig auf 180 sein muss. Es ist sehr anstrengend, und die körperliche Belastung ist eine ganz andere als beim Fussball. Es werden ganz andere Körperpartien beansprucht: Knie, Schultern, Rippen, Ohren. Hat die Ringerriege Einsiedeln genügend Nachwuchs für die kommenden Jahre? Nein, eigentlich nicht. Das ist unser grosses Problem und unsere grosse Sorge. Wir würden uns deshalb freuen, wenn mehr Jugendliche zu uns in den Verein kommen würden. Ringen ist eine gute Lebensschule. Man lernt seinen Körper kennen, muss sehr beweglich sein. Nicht zuletzt ist Ringen die älteste olympische Sportart.

Hört sich alles sehr gut an. Sind Sie denn auch nächste Saison noch Coach der Einsiedler? Ja. Ich entscheide das Jahr für Jahr. Das ist ein ehrenamtlicher Job, den man mit Herzblut ausüben muss.

Kein Zweifel – so ein Ringer macht was her: Urs Bürgler (48) ist seit drei Jahren Trainer der Ringerriege Einsiedeln. Der gebürtige Schaffhauser war in Atlanta und Sydney bei Olympischen Spielen dabei. Mit 20 wurde er schweizerischer Juniorenmeister im Freistil und kämpfte danach drei Jahre lang für Einsiedeln in der Nationalliga A.

Foto: Wolfgang Holz populärer ist als Ringen?

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