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Wie ein Einsiedler Bundesrat werden will

Wie ein Einsiedler Bundesrat werden will Wie ein Einsiedler Bundesrat werden will

Noch nie gab es in der Geschichte einen Bundesrat mit Schwyzer Wurzeln. Das könnte sich am 11. Dezember 2019 ändern: Der 66-jährige Einsiedler Felix Albert Küchler kandidiert bei den Bundesratswahlen.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie kommen Sie dazu, für den Bundesrat zu kandidieren?

So wie jeder Katholik Papst werden kann, kann jeder Schweizer und jede Schweizerin Bundesrat werden. Wählbar für dieses Amt sind alle in der Schweiz stimmberechtigten Menschen. Bei jeder Bundesratswahl melden sich einige Bewerber aus dem «gewöhnlichen Volk». Abgesehen davon hat Eveline Widmer-Schlumpf vor zwölf Jahren Erfolg gehabt: Sie wurde in den Bundesrat gewählt, obwohl sie nicht Mitglied des Parlaments war. Dasselbe Kunststück gelang Friedrich Traugott Wahlen, der im Jahr 1958 zum Bundesrat gewählt wurde. Von welchen Parteien werden Sie unterstützt? Ich bin politisch ein unbeschriebenes Blatt, unabhängig und parteilos. Ebenso wenig verfüge ich über irgendwelche Verwaltungsratsmandate. Der Umstand, dass ich keiner Partei zugehörig bin, verbindet mich mit der heutigen Klimajugend: Diese will parteilos sein – ohne dass sie deswegen unpolitisch wäre. Wenn es um das Klima geht, wird es automatisch politisch. Mit der jungen Generation, die sich seit einem Jahr manifestiert, fordern wir umgehend die Anerkennung der Klimakrise. Die Gletscher gehen zurück, Murgänge bedrohen Alpendörfer, und Hitzesommer kosten Menschenleben.

Mit welcher Motivation starten Sie in diesen Wahlkampf? Ich möchte im Bundesrat den Klimaschutz zu einem Querschnittsthema machen. Seit die Menschheit Kohle, Erdöl und Erdgas verbrennt, hat sich der CO2-Gehalt in der Luft fast verdoppelt. Dazu kommen die Nutztiere und die Industrie. Sie produzieren weitere Treibhausgase, zum Beispiel Methan, Lachgas oder Fluorkohlenwasserstoffe. Eine Industrienation wie die Schweiz stösst viel zu viel Treibhausgase aus. Beim CO2 sind es etwa 15 Mal zu viel.

Was möchten Sie konkret verändern?

Es genügt nicht, am bestehenden System zu schräubeln. Wir sind gefordert, unser Leben neu zu orientieren. Der Weg heisst Abkehr vom verschwenderischen Konsum, hin zu sorgfältigem Umgang mit den begrenzten Ressourcen, damit der Planet Erde auch für unsere Enkel lebensfreundlich bleibt. Konkret kann das zum Beispiel heissen, schweizweit sämtliches Plastik zu recyceln. Rechnen Sie sich Chancen aus, gewählt zu werden? Ja! Immerhin haben bereits über 700 Leute eine Petition unter der Leitung von Toni Reichmuth aus Steinen unterschrieben, die meine Kandidatur unterstützt. Die Petition fordert, dass die Mitglieder der Vereinigten Bundesversammlung Klima-Kandidaturen für den Bundesrat ernst nehmen und ihnen die Möglichkeit geben sollen, sich vorzustellen. Die Mitglieder der Vereinigten Bundesversammlung sind aufgerufen, mindestens einen Klima- Bundesrat zu wählen. Haben Sie bereits mit den Parteien gesprochen? Wir sind im Dialog mit den Parteien: Sie wissen, dass meine Kandidatur aus dem Volk breit abgestützt ist. So hoffe ich, dass ich zu den offiziellen Hearings der Parteien zugelassen und von ihnen angehört werde. Was geschieht in der «Nacht der langen Messer» im Bundeshaus mit Ihrer Kandidatur? Bedeutet diese eine Konkurrenz für Regula Rytz, Parteipräsidentin der Grünen? Tatsächlich stehe ich inhaltlich naturgemäss den Grünen nahe, weil diese Partei ja auch für den Klimaschutz ist. Was am Wahltag passiert, weiss ich nicht. Ein mögliches Szenario wäre, dass ich bei einem Patt als Joker ins Spiel käme, falls Regula Rytz einigen Parteien nicht genehm ist. Unsere Petition unterstützt alle Bundesräte, die sich für das Klima einsetzen, auch Frau Rytz. Was hat Sie dazu bewogen, diese Kandidatur in Angriff zu nehmen?

Ausgelöst hat die Kandidatur mein Erschrecken über unseren ökologischen Fussabdruck. Es ist höchste Zeit, energisch gegen den Klimawandel vorzugehen. Wir brauchen einen Systemwandel, eine Abkehr von Wirtschaft und Geld, die derzeit über allem stehen in unserer Gesellschaft. Wichtig ist, dass wir uns wieder dem Leben von Mensch, Tier und Natur widmen und zuwenden. Wir brauchen kein unendliches Wirtschaftswachstum, sondern eine Fokussierung auf erneuerbare Energien. Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft verlangt auch in der Präambel «Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen ». Es braucht eine Erneuerung des Bundesrats. Welches Departement würden Sie gerne übernehmen? Ich eigne mich besonders als Wirtschafts- und Aussenminister, weil ich mich in meinem Leben mit Landwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit auseinandergesetzt habe. Als Arzt und Gesundheitsförderer kann ich unserem Gesundheitssystem neue Impulse geben. Dann möchte ich mich innerhalb des Bundesrates im Sinne der kollektiven Intelligenz für aufmerksame Kommunikation und konsensuale Entscheidfindung einsetzen – fernab vom üblichen Hickhack und Dominanzgehabe. Auf welche Art und Weise sind Sie dem Klosterdorf verbunden? Meine Mutter war Alice Birchler von der Bäckerei Tulipan. Meine Geschwister sind der Musiker Meinrad Küchler, der Arzt Beat Küchler und Marianne. Über Afrika habe ich in den 70er-Jahren mehrere Artikel für die «Neue Einsiedler Zeitung» und den «Einsiedler Anzeiger» geschrieben. Immer wieder kehre ich nach Einsiedeln zurück, um zur Mutter Gottes in der Klosterkirche zu beten.

Der 66-jährige Felix Albert Küchler will am Mittwoch als erster Einsiedler in den Bundesrat gewählt werden. Foto: Stefan Maurer

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