«Arbeiten, Wohnen und Freizeit in Einsiedeln vereinen»
Einsiedeln hat seit Jahrzehnten eine negative Pendlerbilanz, weil nach wie vor Arbeitsplätze fehlen. Bezirk und Gewerbeverein legen dar, welche Auswege sie aus dieser Situation sehen.
WOLFGANG HOLZ
6880 Arbeitsplätze beziehungsweise Beschäftigte gibt es derzeit im Bezirk Einsiedeln. Das weist der Zahlenspiegel 2019 der Schwyzer Kantonalbank aus. Und zwar 504 in der Landwirtschaft, 1919 im gewerblichen Sektor und 4457 im Dienstleistungsbereich.
Zahl der Arbeitsplätze steigt nur langsam an Damit hat die Zahl der Beschäftigten in Einsiedeln weiter zugenommen. 2015 waren es noch 6726 Beschäftigte. 2005 zählte man 6054 Arbeitsplätze. Die Steigerungsrate der Beschäftigten wächst allerdings nur langsam an. Deshalb ist und bleibt die Pendlerbilanz Einsiedelns seit Jahrzehnten negativ.
Wie jüngst in dieser Zeitung berichtet (EA 95/19), pendeln täglich inzwischen rund 3500 Personen weg aus Einsiedeln, der negative Pendlersaldo ist um fast 50 Prozent gestiegen auf –1886 Personen. Nicht nur Regierungsrat Andreas Barraud hat letztes Jahr angemahnt, dass das Schaffen von weiteren Arbeits- und Ausbildungsplätzen für Einsiedeln ein grundsätzliches Anliegen bleibe.
«Diese Entwicklung mit den negativen Pendlersaldi wurde schon in früheren Jahren erkannt, insbesondere angesichts der hohen Anzahl an Wohnungsbauten, die in den letzten Jahren realisiert wurden», sagt Carlo Fisch, Präsident des Gewerbevereins Ensiedeln. Die Personen, die nun zusätzlich in Einsiedeln wohnten, würden meistens nur ihren Wohnsitz wechseln. «Dies ist für die Infrastruktur des Bezirks eine Entwicklung, die ersichtlich war.» Dass es trotzdem abends zu Staus kommt, führt er aus seiner Sicht «auf eine falsche und eine nicht strukturierte Verkehrsleitung zurück».
Um diesem Trend entgegenzusteuern, müsste seiner Meinung nach die Raumplanung generell vereinfacht werden. «Zudem sollte die Problematik mit der Entwicklung in den Vierteln angegangen werden», ist Carlo Fisch überzeugt. «Man muss dem bestehenden Einsiedler Gewerbe, das Arbeitsplätze anbietet, möglichst den Weg frei halten und nicht mit wachsenden Vorschriften den Weg erschweren.» Arbeitsplatzangebot kann mit Wachstum nicht Schritt halten Für Patrick Notter, Bezirksrat für Volkswirtschaft und Sicherheit, unterstreicht die Tatsache, dass mittlerweile rund 3500 Personen täglich aus Einsiedeln wegpendeln, zunächst einmal den Trend nach Mobilität. Und zum anderen die Tatsache, dass Einsiedeln sehr beliebt sei, um hier zu wohnen.
«Die Bevölkerung ist seit dem Jahr 2000 um rund 4000 Personen angestiegen. Demgegenüber konnte die wirtschaftliche Entwicklung bezogen auf das Arbeitsplatzangebot diesem schnellen Wachstum nicht folgen », so der SP-Bezirksrat.
Es sei offensichtlich, dass die vielen neuen Wohnungen, die in den letzten 10 Jahren entstanden seien, zusätzlichen Verkehr verursacht haben und Einsiedelns Infrastruktur belasten.
Notter: «Das ist die Kehrseite der Medaille. Gerade an der Zürichstrasse zeigen sich diese Engpässe exemplarisch. Und sie lassen sich nicht einfach schnell beseitigen.» Die Förderung des öffentlichen Verkehrs und des Langsamverkehrs (Fuss- und Velowege) würde zwar eine gewisse Optimierung mit sich bringen, so Notter. Doch damit werde das Platzangebot auf der Strasse nicht grösser: «Auch die Postautos bleiben zu Spitzenzeiten im Stau stecken.» Es müssten sich deshalb alle überlegen, wie sich die Wartezeiten im Stau allenfalls individuell umgehen lassen: «Die Infrastruktur auf die Spitze auszurichten, ist für den Bezirk finanziell nicht machbar.» Andererseits findet Notter besagte rund 6900 Voll- oder Teilarbeitsplätze «eine stattliche Anzahl, die viele überrascht. Wir haben sensationelle Betriebe mit enormem Potenzial. Diesen gilt es Sorge zu tragen, beispielsweise, indem Aufträge nach Möglichkeit regional vergeben werden. » Stelleninserate werben mit den Vorzügen Einsiedelns Persönlich ist Notter deshalb überzeugt, dass Einsiedeln der ideale Platz ist, um die drei Lebensbereiche Wohnen, Arbeiten und Freizeit zu vereinen, «sodass die kurzen Wege mit Fahrrad oder zu Fuss machbar sind».
Natürlich würden sich nicht alle Berufe in Einsiedeln finden lassen, doch zeige gerade die Pendlerstatistik und das Arbeitsplatzangebot, dass eine «Optimierung » möglich wäre. Dies müsse jedoch individuell geschehen. Bezirksrat Notter: «Einer allfälligen Lohneinbusse steht der Gewinn von Lebensqualität und Zeit gegenüber.» Zudem liesse sich mit dem Motto «Arbeit, Wohnen und Freizeit – alles in Einsiedeln» dem Fachkräftemangel etwas begegnen. Notter: «Erfolgreiche Betriebe werben schon jetzt im Stelleninserat mit den Vorzügen des Lebensraumes von Einsiedeln. Und da haben wir einiges zu bieten.»
«Man muss dem bestehenden Gewerbe, das Arbeitsplätze anbietet, möglichst den Weg frei halten und nicht mit wachsenden Vorschriften den Weg erschweren.»
Carlo Fisch, Präsident des Gewerbevereins
«Die Infrastruktur auf die Spitze auszurichten, ist für den Bezirk finanziell nicht machbar.»
Patrick Notter, Bezirksrat (SP)
«Einer allfälligen Lohneinbusse steht der Gewinn von Lebensqualität und Zeit gegenüber.»
Patrick Notter
Im Klosterdorf zu wohnen ist für viele attraktiver als hier zu arbeiten – wie die täglich rund 3500 Wegpendler beweisen.
Foto: Wolfgang Holz