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So viele verlassen Einsiedeln täglich

So viele verlassen Einsiedeln täglich So viele verlassen Einsiedeln täglich

Der negative Saldo der Arbeitspendler ist um fast 50 Prozent angestiegen

Die meisten Gemeinden im Kanton Schwyz weisen einen negativen Pendlersaldo auf. Da ist der Bezirk Einsiedeln keine Ausnahme. Will heissen: Mehr Personen pendeln weg aus Einsiedeln als hierher zum Arbeiten kommen. Der Zuwachs wirkt dramatisch.

WOLFGANG HOLZ

Es ist jeden Abend das gleiche Schauspiel. Wie Glieder einer Goldkette strahlen die Lichter der Autos, die sich teilweise kilometerlang auf der Zürichstrasse vor dem grossen Kreisel in Einsiedeln zurückstauen. «Pendlerkorsos» morgens und abends Grund für dieses Phänomen: Die vielen Einsiedler, die mit dem Auto auswärts zum Arbeiten fahren, kehren nach getaner zurück. Dass diese «Heimkehrer» sehr viele sind und immer mehr werden, erkennt man, wenn man den Verkehr in die Gegenrichtung, also aus dem Klosterdorf hinaus, betrachtet: Er fliesst abends problemlos ab. Morgens spielt sich der «Pendlerkorso» dagegen in umgekehrter Richtung ab.

Pendlerströme prägen das Bild Einsiedelns morgens und abends inzwischen wie der Sonnenauf- und -untergang. Wobei der Berufsverkehr weg und zurück ins Klosterdorf im Vergleich zu den Boomtown-Agglomerationen Zug und Zürich noch relativ flüssig fliesst. Wobei eben gerade in diese beiden Wirtschaftszentren sehr viele Einsiedler zum Arbeiten pendeln.

Deutliche Zunahme

Dass die Zahl der Wegpendler in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, beweisen Zahlen aus der Statistik. Laut einer kumulierten Zählung der Arbeitspendlerströme von 2015 bis 2017 gemäss Bezirk, die das Bundesamt für Statistik in diesem Jahr herausgegeben hat, verlassen täglich 3654 Personen das Klosterdorf. 1768 Personen pendeln nach Einsiedeln zu. Zieht man die Zahl der Zupendler von der Zahl der Wegpendler ab, erhält man den statistischen Indikator des Pendlersaldos. Im Bezirk Einsiedeln beläuft sich dieser aufgrund der neuesten Zahlen auf –1886 Personen. Das heisst 1886 Pendler mehr verlassen Einsiedeln täglich als ins Klosterdorf zupendeln.

Vergleicht man diesen Wert mit den statistischen Angaben, die das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Schwyz 2004 herausgegeben hat und die auf Daten der Volkszählung von 2000 des Bundesamts für Statistik basieren, ist der negavitive Pendlersaldo von damals –1263 Personen um fast 50 Prozent angewachsen.

Langer Zeitraum Ein starker Zuwachs – auch wenn es sich statistisch betrachtet um einen langen Vergleichszeitraum von knapp 20 Jahren handelt und die Zahlen natürlich nur annäherungsbedingt der Wahrheit entsprechen. Denn zum einen haben nicht alle statistisch befragten Pendler eine Angabe zu ihrem Arbeitsort gegeben. Andererseits gibt es prozentuale Abweichungen durch sogenannte Vertrauensintervalle.

Dabei sind negative Pendlersaldi ein Thema, dass den Kanton Schwyz seit Jahren beschäftigt. Denn die Pendlerbilanz von Schwyz lag 2017 bei –15’900 Pendlern. In den Jahren zuvor schwankte die Zahl zwischen –14’000 und –17’000 Personen, die mehr weg- als zupendeln. Nur der Bezirk Höfe weist kantonsintern einen positiven Pendlersaldo auf.

Vier Millionen Schweizer pendeln täglich zur Arbeit Grundsätzlich ist die Pendlermobilität unter Schweizer Erwerbstätigen hoch: 2017 waren neun von zehn Arbeitnehmern Pendler, die zum Aufsuchen ihres Arbeitsplatzes ihr Wohngebäude verlassen. Dies entspricht rund vier Millionen Menschen – hiervon arbeiteten 71 Prozent ausserhalb ihrer Wohngebiete. 1990 waren es erst 59 Prozent. Der Kantonsvergleich zeigt, das Basel- Stadt und Zug gemessen an ihrer Grösse am meisten Pendler aus anderen Kantonen anziehen. 52 Prozent der Pendler benutzte 2017 übrigens das Auto, 31 Prozent nahmen den öffentlichen Verkehr in Anspruch und 15 Prozent waren mit dem Velo oder zu Fuss unterwegs. Im Schnitt beträgt der Weg zur Arbeit (ein Hinweg) 15 Kilometer – mit einer Dauer von rund einer halben Stunde.

«Millionen»-Agglo-Zürich Die meisten der Pendlerinnen und Pendler verdienen im Raum des «Millionen Zürich» ihr Geld. Laut der Erwerbstätigenstatistik nach Wohn- und Arbeitsort (Pendlermatrix) die, wie oben erwähnt, auf Zahlen der Volkszählung von 2000 fusst, waren es vor 20 Jahren 1204 Einsiedler, die in Zürich arbeiteten.

Gemäss neueren Zahlen von 2014 waren es noch 764 Einsiedler, die nach Zürich täglich pendelten. Auch andere Gemeinden und Städte ziehen Einsiedler stark an: Feusisberg (407 Personen), Freienbach (382), Wädenswil (172), Schwyz (166), Wollerau (146), Zug (105), Lachen (101).

Dass Zürich in puncto Arbeitsplätze auf Einsiedeln eine grosse Attraktivität ausstrahlt, hat Peter Moser schon 2007 in seinem Artikel «Pendelstrukturen im Grossraum Zürich: Entwicklungen und Perspektiven» thematisiert.

Gute Infrastruktur: Auto, Bahn

Zum einen führt er primär das Auto und das Angebot der öffentlichen Verkehrsmittel als Grund an, warum es heutzutage grundsätzlich so einfach ist zu pendeln: «Ohne diese Mobilitätsmittel wären die modernen grossstädtischen Siedlungsstrukturen mit ihrer weitgehenden Trennung von Arbeits- und Wohnort undenkbar.» Zum anderen resultiere eben aus dem Ausbau der Infrastruktur, dass der Anteil der Pendler mit Fahrtdistanzen von mehr als 40 Kilometer sich zwischen 1970 und 2000 von 1,0 Prozent auf 4,5 Prozent erhöht habe, während sich derjenige auf Kurzdistanzen von weniger als 10 Kilomtern von 78,9 Prozent auf 59,0 Prozent verringert habe. Und Einsiedeln liegt ja gerade rund 40 Kilometer von Zürich entfernt. Übrigens: Je weiter die Quellregion der Pendlerströme vom Zentrum, sprich: von Zürich, entfernt liegt, desto grösser ist die prozentuelle Zunahme der Pendlerströme.

«Ohne diese Mobilitätsmittel wären die modernen grossstädtischen Siedlungsstrukturen mit ihrer weitgehenden Trennung von Arbeits- und Wohnort undenkbar.»

Peter Moser, Kanton Zürich

Wie aufgereiht an einer Kette: Einsiedler Wegpendler auf der Zürichstrasse, die abends von der auswärtigen Arbeit ins Klosterdorf zurückkehren.

Foto: Wolfgang Holz

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