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Klinik statt Gefängnis

Das Strafgericht qualifizierte das Tötungsdelikt von Brunnen am Donnerstag, 28. November, als Mord. Der schizophrene Täter ist schuldunfähig, der 19-Jährige wurde zu einer stationären Massnahme in einer geschlossenen Klinik verurteilt. Die Behandlungen seien noch lange nicht beendet.

RUGGERO VERCELLONE

Vor dem Schwyzer Strafgericht wirkt der 19-Jährige aus Brunnen, der im Oktober 2018 im Wahn seine 56-jährige Mutter getötet hat, ruhig. Er sitzt da, seine Hände auf die Oberschenkel gelegt. Bereitwillig gibt er dem Gericht über seine Person Auskunft. Er habe eine Lehre als Polymechaniker begonnen, sei dann aber entlassen worden, weil er die Leistungen nicht erbracht habe. Den schädlichen Missbrauch von Cannabinoiden gibt er auch zu. Ein Gutachten attestiert ihm eine Schizophrenie. Er leidet unter Wahnvorstellungen, hatte schlaflose Nächte und hörte Stimmen. In einem akuten schizophrenen Anfall brachte er seine Mutter um. Zur Tat will er sich vor Gericht nicht äussern. Er sagt nur: «Erklären kann man eine solche Tat nicht.» Er habe aber gelernt, Frühwarnzeichen zu erkennen, etwa wenn er Stimmen höre oder Halluzinationen habe. Seit April befindet er sich in einer Klinik, wo er wegen seiner psychischen Erkrankung behandelt wird. Er spreche gut auf die Therapien und Medikamente an, die er sein Leben lang einnehmen müsse. In seinen Augen wäre er bereit, die Klinik zu verlassen und eine ambulante Therapie anzutreten, sagt er. Psychisches und physisches Martyrium erlitten Auch die Staatsanwältin erkannte, dass sich der psychische Zustand des Beschuldigten inzwischen verbessert habe, und dass ein Rückfallrisiko laut Gutachten moderat sei. Dennoch plädierte sie wegen der strafrechtlich geltenden vollständigen Schuldunfähigkeit des Beschuldigten zum Zeitpunkt der Tat für eine stationäre Massnahme in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik. Die blutige Tat, die in drei Phasen abgelaufen sei (siehe Box), müsse als Mord qualifiziert werden. «Auch der Schuldunfähige kann vorsätzlich handeln», sagte die Staatsanwältin.

Der junge Mann, der schon vor der Tat immer wieder zu Hause Probleme bereitet, «extreme Ausraster» gehabt habe und seine Mutter mehrmals angegriffen hatte, sei besonders skrupellos und gefühlskalt vorgegangen. Der Beschuldigte habe nach der Tat den Tatort «akribisch gereinigt», um Spuren zu verwischen. Zudem habe er das Handy seiner Mutter versteckt und mit dem Verbrennen der Leiche sämtliche Spuren beseitigen wollen. Durch das Verbrennen der Leiche im Gartencheminée sei auch der Tatbestand der Störung des Totenfriedens begangen worden. Die Mutter habe in den letzten Minuten ihres Lebens ein psychisches und physisches Martyrium erlitten.

Auch der Verteidiger des Beschuldigten bezeichnete die Tat als «unfassbares, unerklärliches Verbrechen», das aber aufgrund der psychischen Erkrankung seines Mandanten geschehen sei. Einige Monate vor der Tat habe der damals 18-Jährige einen schweren Mountainbike-Unfall erlitten, bei dem er auf den Kopf gefallen sei. Das habe eventuell seinen Gesundheitszustand verschlimmert.

Im Wahn gehandelt Der Verteidiger plädierte aber auf Tötung statt auf Mord. Sein Mandant habe im Wahn gehandelt, weshalb ihm kein absichtliches Handeln vorgeworfen werden könne. Insofern könne ihm auch kein besonders verwerfliches Handeln vorgeworfen werden. Der Beschuldigte sei in seinem Wahn überzeugt gewesen, die Welt retten zu müssen. Eine besondere Grausamkeit könne ebenfalls nicht vorgehalten werden, da die Mutter bereits bewusstlos gewesen sei, als ihr der Sohn die Messerstiche zufügte. Auch der Verteidiger beantragte eine stationäre Massnahme in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik. In fünf Jahren müsse die Massnahme neu beurteilt werden. «Irgendwann» sei diese in eine engmaschige psychiatrische Begleitung umzuwandeln.

In seinem Schlusswort sagte der Beschuldigte an der Gerichtsverhandlung, die von rund 70 Zuschauern mitverfolgt wurde: «Ich werde nie mehr psychoaktive Substanzen konsumieren. Ich bereue meine Tat sehr.» «Behandlung nicht beendet»

Das Strafgericht erkannte gemäss dem Antrag der Staatsanwältin auf Mord und Störung des Totenfriedens. Weil der Beschuldigte die Tat im Wahn begangen hatte und strafrechtlich nicht schuldfähig war, schickte das Gericht den jungen Mann nicht ins Gefängnis. Es verhängte eine stationäre Massnahme zur Behandlung der Schizophrenie. Er sei zwar auf gutem Weg, sagte die Gerichtsvizepräsidentin in der Urteilsverkündung. Die Behandlung sei aber noch lange nicht beendet. Deshalb sei vorderhand eine geschlossene Klinik der einzig gangbare Weg. Je nach Verlauf der Therapie sei es Sache der Vollzugsbehörden und der behandelnden Ärzte, ob diese Massnahme später auch ambulant weitergeführt werden könne.

Die Kosten des Verfahrens im Betrag von rund 278’000 Franken übernimmt der Staat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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