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«Ich bleibe höchstens ein paar Wochen»

«Ich bleibe höchstens ein paar Wochen» «Ich bleibe höchstens ein paar Wochen»

Sepp Kälin aus Gross arbeitet seit 40 Jahren bei der Firma Silac AG in Euthal

Es ist längst nicht mehr selbstverständlich, dass jemand sein ganzes Erwerbsleben lang einer einzigen Firma treu bleibt. Sepp Kälin kann heute sein 40-Jahr-Jubiläum als Mitarbeiter der Firma Silac AG feiern. Ein Rückblick auf vier Jahrzehnte im Dienst des Kunststoffs.

GINA GRABER

Es schneit. Wie damals, als Sepp Kälin zum ersten Mal ins Euthal fuhr, um temporär ein bisschen Geld zu verdienen. Er hatte eine abgeschlossene KV-Lehre im Treuhandbereich und die Rekrutenschule hinter sich und wollte anschliessend noch den Fourier «abverdienen». Seine Mutter hatte ihm den Tipp gegeben, dass in der «Chnöpflifabrik», wie die Silac AG im Volksmund lange genannt wurde, gerade jemand fürs Büro gesucht werde. So fuhr er an jenem 15. November im dichten Schneegestöber von Gross dem See entlang südwärts und über den engen Steinbachviadukt, fluchte ein bisschen über die Strassenverhältnisse und schwor sich: «Das mache ich nur ein paar Wochen.» Das war vor genau vierzig Jahren. Vom Knochen- zum Traumjob

Sepp Kälin schaut versonnen aus dem Bürofenster und muss über seinen beruflichen Werdegang selber schmunzeln. Die Arbeit im traditionsreichen Familienunternehmen hatte ihm sosehr zugesagt, dass er nach dem Militärdienst im Sommer darauf wieder dort anklopfte und gleich eine feste Stelle erhielt. Er freute sich auf einen abwechslungsreichen Schreibtischjob – und wurde vom damaligen Patron Herbert Birchler kurzerhand für ein halbes Jahr in die Produktion beordert. Das hatte sich der junge Kaufmann so nicht vorgestellt: «Es war hart und hat mir manchmal göttlich gestunken», erinnert er sich. Aber etwas Besseres hätte ihm gar nicht passieren können, denn dank der Arbeit bei den Büezern an den Maschinen und in den Lagerhallen lernte er den Betrieb, die Arbeitsabläufe und nicht zuletzt auch die Firmenphilosophie von Grund auf kennen.

Jene kluge Anweisung des Chefs steht sinnbildlich für die Firmenkultur, welche das Familienunternehmen seit seiner Gründung 1942 auszeichnet. Verkaufsleiter Sepp Kälin rühmt das gute soziale Klima in der «Bude», er fühlte sich stets wertgeschätzt: «Es hat einfach immer gestimmt», erklärt er seine langjährige Tätigkeit für das Kunststoffwerk, das längst keine Uniformknöpfe für die Schweizer Armee mehr herstellt, sondern ganz alltägliche Gegenstände wie Drehverschlüsse, Schalterabdeckungen und technische Teile.

Computerpioniere Die Silac AG entwickelte sich beständig weiter, baute aus und passte sich neuen Technologien und Marktanforderungen an. Schon Anfang der Achtzigerjahre kam im Büro der Computer zum Einsatz, eine Pionierleistung in jener Zeit. So, wie sich Sepp Kälin damals neugierig ins Computerwesen einarbeitete, eignet er sich bis heute laufend neue Kompetenzen an. «Learning by doing» ist seine Devise geblieben, tüfteln, probieren und gelegentliches Scheitern als Chance für Neues betrachten.

Kundenkontakt als Ausgleich

Seit 1986 ist der Verkaufsleiter an zwei Tagen pro Woche unterwegs zu Kunden. «Das ist mühsamer geworden, der Verkehr nimmt ständig zu», klagt er. Am meisten scheute er früher das eintönige Industriegebiet der Stadt Basel. Wie oft hat er sich da verfahren und musste eine Telefonkabine suchen, um den Kunden über seine Verspätung zu informieren, denn es gab ja weder Navigationsgeräte noch Handys.

Sepp Kälin schätzt den Kundenkontakt als Ausgleich zur Büroarbeit. Diese Ausgeglichenheit strahlt er auch aus, er ist bescheiden und eins mit sich: «Geld kann man am Ende nicht mitnehmen.» Familie, Freunde und Sport sind ihm wichtig, sein kleines Refugium im Verzascatal und nicht zuletzt auch seine Arbeit als Präsident für den FC Einsiedeln.

An die Fahrt von Gross ins Euthal bei Schneegestöber hat er sich längst gewöhnt. Dass er über Mittag nach Hause kann, ist für ihn unbezahlbare Lebensqualität. Deshalb hat Sepp Kälin seinen Job in den letzten vierzig Jahren auch nie in Frage gestellt: Zweimal wollten ihn Konkurrenzfirmen mit attraktiven Lohnversprechen abwerben, zweimal hat er abgelehnt.

«Ich bereue es nicht, es hat einfach immer gestimmt.»

Sepp Kälin, Jubilar

Sepp Kälin an seinem Arbeitsplatz, den er in vierzig Jahren nie gegen einen anderen tauschen wollte. Foto: Gina Graber

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