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«Nichts ist in Stein gemeisselt»

«Nichts ist in Stein gemeisselt» «Nichts ist in Stein gemeisselt»

Der 53-jährige Pater Basil Höfliger nimmt Stellung zur Neuausrichtung der Pfarrei Einsiedeln

Pater Basil Höfliger leitet die Pfarrei Einsiedeln. Diese steht vor einer Neuausrichtung. Das bisherige Angebot der Pfarrei auf Biegen und Brechen aufrechtzuerhalten, würde die Seelsorger ans Limit bringen, sagt der Benediktinerpater im Kloster Einsiedeln.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wieso braucht es eine Reformation der Pfarrei Einsiedeln?

Von einer Reformation würde ich nicht sprechen. Vielmehr handelt es sich um eine Neuausrichtung. Einerseits sind wir weniger Seelsorger, was dazu führt, dass wir das Gottesdienstangebot überdenken mussten. Wir haben die frei werdende Stelle von Pater Gerhard nicht ausgeschrieben, weil der personelle Markt bezüglich Seelsorger am Austrocknen ist. Zudem können wir nötige Anpassungen nicht weiter hinausschieben. Zu den Gottesdienten in den Vierteln finden sich teils nur wenige Gläubige ein. Durch das Zusammenlegen der Feiern möchten wir erreichen, dass wir wieder in einer grösseren Gemeinschaft Gottesdienst feiern können. Pfarreileben beschränkt sich aber nicht auf das Gottesdienstfeiern. Müsste die Kirche nicht zum Volk gehen, dorthin, wo dieses lebt, an der Peripherie? Ja, das tun wir auch. Wir sind aber eine Pfarrei, nicht sieben Pfarreien. Abgesehen davon bleiben wir ja in den Vierteln präsent in Seelsorge, Religionsunterricht, bei Taufen, Beerdigungen, Hausbesuchen und Sonntagsgottesdiensten: Am ersten Sonntag im Monat in Egg und Bennau, am zweiten in Euthal und Trachslau und am dritten in Willerzell und Gross. Am vierten und fünften Sonntag findet ein gemeinsamer Gottesdienst in der Jugendkirche in Einsiedeln statt. Pater Benedict wird der Seelsorger für die Viertel Bennau, Trachslau und Gross sein, Steffen Michel zusammen mit Pater Rafael für die Viertel Egg, Willerzell und Euthal. Die Reaktion des Kirchenvolks in den Vierteln auf die Neuausrichtung war teils heftig. Woran lag das? Das betrifft die Erstkommunion. Die Arbeitsgruppe Viertel-Dorf und das Seelsorgeteam haben die Rückmeldungen auf die geplante Neuausrichtung diskutiert. Nach den Sommerferien hat das Seelsorgeteam dann entschieden, die Erstkommunion gemeinsam in der Klosterkirche zu feiern, was neben Zustimmung teils auch zu enttäuschten Reaktionen geführt hat. Nach der Feier am 13. April 2020 werden wir auf geeignete Weise in Erfahrung bringen, wie die Familien den Weissen Sonntag in der Klosterkirche erlebt haben. Heisst das, dass noch nichts in Stein gemeisselt ist? Nichts ist in Stein gemeisselt in diesen Zeiten. Es wäre vermessen anzunehmen, was wir jetzt entscheiden, werde jahrzehntelang so bleiben. Die jetzt beschlossene Gottesdienstordnung gilt für das kommende Jahr. Wenn wir merken, dass wir Dinge übersehen haben oder etwas nicht funktioniert, müssen wir das berücksichtigen und gegebenenfalls ändern. Das Letzte, was wir mit der Neuausrichtung wollen, wäre eine Spaltung in der Pfarrei. So werden wir im Herbst 2020 mit den Kirchgenossenschaften zusammensitzen und uns über die Erfahrungen austauschen.

Die Viertel wünschen sich Weisse Sonntage in den Dorfkirchen. Diese wären dann auch gut gefüllt, weil dann alle Familien kommen. Halten Sie daran fest, dass die Erstkommunionfeiern in Einsiedeln über die Bühne gehen? Wie gesagt werden wir nach der Erstkommunion 2020 weiterschauen. Es gibt aber einiges zu berücksichtigen. So gibt es in einigen Vierteln nur noch wenige Erstkommunionkinder und nicht mehr genügend Erwachsene, die sich bei der Vorbereitung im E-Team engagieren. Andererseits besteht ein terminliches Problem: Wenn wir den Weissen Sonntag in den Vierteln jeweils an dem Sonntag halten wollen, an dem turnusgemäss Gottesdienst gefeiert wird, fallen Erstkommunionfeiern entweder in die Frühlingsferien oder sie können erst im Juni durchgeführt werden, wenn sonst schon viele Termine anstehen. Findet mit der Neuausrichtung eine Gleichschaltung der Gottesdienste statt? Nein. Aber der Übersichtlichkeit halber müssen wir einiges anpassen. Wir wollten alle Sonntagsgottesdienste um 10 Uhr beginnen. Hier sind wir allerdings jenen Vierteln entgegengekommen, die von Anfang an frühere Zeiten wünschten. So beginnen die Gottesdienste am Sonntag in Gross und in Bennau bereits um 9 Uhr. Zudem gibt es zwischen Heiligabend und Stefanstag in jedem Viertel einen Weihnachtsgottesdienst.

«Wir möchten die Kommunikation der Pfarrei Einsiedeln professionalisieren.»

Halten Sie es für möglich, dass nicht nur Gläubige aus den Vierteln nach Einsiedeln strömen, sondern auch Leute aus dem Klosterdorf Gottesdienste in den Dörfern besuchen? Ich denke schon. Zum Beispiel dann, wenn der Singkreis St. Cäcilia wie geplant auch einmal auf einem Viertel singt. Oder am Josefs- und Stefanstag, wenn in Willerzell und Trachslau Patrozinium gefeiert wird und in Einsiedeln kein Gottesdienst stattfindet. Der Weg ist nicht weit. Wir wollen auf jeden Fall das Gemeinsame stärken, gemeinsame Feiern in den Fokus stellen. So haben wir neben Einsiedeln auch einen anderen kleinen Wallfahrtsort, nämlich Euthal. Dort wird immer am letzten Sonntag im Monat ein Wallfahrtsgottesdienst stattfinden und jeden Herz-Jesu-Freitag eine Messe. Ich habe doch die Hoffnung, dass auch Einsiedler da und dort in die Viertel gehen. Auch wenn naturgemäss das Angebot an Gottesdiensten im Klosterdorf sehr gross ist. Ziel ist es, dass die Gläubigen aus den Vierteln und aus dem Klosterdorf aufeinander zugehen können. Kritisiert wird, dass die Neuausrichtung nur das Äusserlich-Formale betrifft und nicht Inhaltliches. War denn der Inhalt des Pfarreilebens Diskussionspunkt der Neuausrichtung? Ja, sicher. Ein Anliegen ist, dass wir dank der Neuausrichtung den Freiraum und die Kapazität erhalten, Neues anzudenken, insbesondere wieder mehr mit den Familien unterwegs zu sein. Das ist für uns ein zentraler Punkt. Es ist für die Familien anspruchsvoller geworden, den Glauben an die Kinder zu vermitteln. Die Gefahr, dass Glaube und Religion verdunsten, ist nicht von der Hand zu weisen. Das grosse Angebot an Freizeitmöglichkeiten, die Anforderungen von Schule und Arbeit und der Druck auf die Familien führen dazu, dass das Religiöse an den Rand gedrängt wird. Wir wollen wieder vermehrt mit den Familien unterwegs sein. Wir machen uns aber auch Gedanken zur Seelsorge für Betagte und Kranke oder wie wir Menschen aus unserer Pfarrei motivieren und befähigen können, das Pfarreileben mitzugestalten und mitzutragen.

Wie kommen die Stimmen aus den Vierteln in der neuen Struktur der Pfarrei Einsiedeln zum Ausdruck? Wir schaffen einen Seelsorgerat, in dem Vertreter aus Vierteln und Dorf einsitzen: Sissy Graf vertritt Bennau, Hildegard Dermont Egg, Lisa Lagler Euthal, Christian Kälin Gross und Andrea Gyr Willerzell. In Trachslau suchen wir noch eine Person. Zudem gibt es in den Vierteln Ansprechpersonen: In Bennau sind dies Bruno Blattmann und Sissy Graf, in Egg Bea Horath-Horath, in Euthal Rösy Kälin-Kälin, in Gross Lisbeth Burkard und in Trachslau Vreny Fuchs. In Willerzell sind wir noch auf der Suche nach einer Ansprechperson.

Ist es möglich, dass dank der Neuausrichtung neue liturgische Formen ins Konzept der Gottesdienste aufgenommen werden? Nicht gerade im Sonntagsgottesdienst. Aber neue liturgische Formen sind möglich und erwünscht, zum Beispiel als Abendmeditation oder in Feiern mit Familien. Hier hat man einen grossen Gestaltungsfreiraum. Dass man einfach versucht, einen Gottesdienst mit etwas Pop aufzumischen, halte ich für ein Konzept, das in früheren Jahren zur Anwendung kam, heute aber kaum mehr Anklang findet. Wir machen uns aber Gedanken zu einer neuen musikalischen Gestaltung von Gottesdiensten. Wie ist über den ganzen Prozess kommuniziert worden? Die Neuausrichtung ist tatsächlich ein Prozess und nicht einfach eine einsame Entscheidung der Pfarreileitung. Unsere Absichten, darunter auch die gemeinsame Erstkommunionfeier in der Klosterkirche, wurden Ende Mai den Kirchgenossenschaften und am 16. Juni allen Pfarreiangehörigen aus Dorf und Vierteln, die die Einladung zum Gottesdienst in der Jugendkirche angenommen haben, vorgestellt. Danach wurden die Informationen auf der Homepage der Pfarrei, im Pfarreiblatt und im «Einsiedler Anzeiger» publiziert.

Wie waren die Rückmeldungen? Wir haben versprochen, die Rückmeldungen zu prüfen und dann zwischen Sommer- und Herbstferien zu entscheiden. Neben den direkten Rückmeldungen am 16. Juni sind weitere etwa 20 Eingaben eingegangen – mit unterschiedlichem Echo. Diese Rückmeldungen wurden in der Arbeitsgruppe Viertel-Dorf und im Seelsorgeteam besprochen. Letzteres hat dann nach den Sommerferien definitiv über die Neuausrichtung entschieden.

Leserbriefschreiber kritisierten bereits im Sommer die Pfarreileitung, obwohl doch noch gar nichts definitiv entschieden worden war. Ich weiss von einem Leserbrief. Die Information und Kommunikation der Neuausrichtung ist nicht einfach. Da wir uns gedrängt fühlten, die Eltern der Erstkommunionkinder bald zu informieren, haben wir andere Gruppen in diesem Punkt etwas überfahren. Wir möchten die Kommunikation der Pfarrei Einsiedeln grundsätzlich thematisieren und professionalisieren. Hierzu suchen wir Unterstützung aus der Kommunikationsbranche. Wir brauchen Personen, die die Kommunikation in der Pfarrei auf allen Ebenen im Blick behalten. Erfolgt mit der Neuausrichtung der Pfarrei auch ein Aufbruch in die neue Medienwelt? In der Tat möchten wir die Pfarreiangehörigen vermehrt digital und auf elektronischem Weg erreichen. Naturgemäss sind ja vor allem die jüngeren Leute und die Familien stark auf die sozialen Medien ausgerichtet. Wir überlegen uns, wie die Pfarrei Einsiedeln zum Beispiel über Instagram oder Facebook kommunizieren kann. Wir müssen uns auch hier neu ausrichten.

Inwiefern sind die Pfarreiangehörigen gleichsam in die Neuausrichtung eingebunden?

Den Pfarreimitgliedern kommt eine wichtige Rolle im ganzen Prozess zu. Unser Ziel ist es, die Leute miteinzubeziehen. Das Schema «Wir ‹Profis› bieten an, Ihr könnt aus dem Angebot auswählen» genügt nicht mehr. Wir möchten die Gläubigen motivieren, sich aktiv in das Pfarreileben einzubringen, es mitzutragen und mitzugestalten. Wir wollen wegkommen von der Haltung, in der die Leute die Kirche als Anbieter von Anlässen betrachten, die konsumiert werden können. Wir alle sind getauft und berufen, den Glauben eigenverantwortlich und aktiv zu leben. Was wären die Folgen, wenn eine Neuausrichtung der Pfarrei gänzlich ausbleiben würde? Das ist nicht absehbar. Vieles würde vermutlich noch Jahre weitergehen, aber immer mehr verebben. Das bisherige Angebot auf Biegen und Brechen aufrechtzuerhalten, würde uns Seelsorgende zudem ans Limit bringen. Es ist bekannt, dass kirchliches Personal nicht davor gefeit ist auszubrennen. Vor allem aber würde die Lebendigkeit unserer Pfarrei leiden, wenn es uns nur darum ginge, Bisheriges zu bewahren, und den Bezug von Glaube und heutigem Leben nicht neu zu denken. Die Neuausrichtung bietet die Chance, auf eine neue Qualität in unserer Arbeit hinzuarbeiten. Seit bald zehn Jahren sind Sie Leiter der Pfarrei Einsiedeln. Wie fällt Ihre Bilanz über diese Zeit aus? Es war eine Zeit, in der es viele bereichernde Erfahrungen und Begegnungen gab. Ich durfte auf ein gutes Fundament bauen und mit motivierten Mitarbeitern Bewährtes weiterführen und Neues aufbauen. Ich stelle fest, dass in unserer Pfarrei vieles gut läuft, manches auch nicht mehr so befriedigend. Wir können nicht stehen bleiben. Vieles ist im Wandel und das betrifft auch die Kirche. Wäre es nicht so, wäre sie eine lebensferne Institution ohne Bedeutung für den heutigen Menschen. Aber gerade für sie wollen wir als Kirche ein Ort sein, wo Glaube und Hoffnung zum Tragen kommen. Sie werden als Kandidat für die Bischofswahl in Chur gehandelt. Würden Sie die Wahl annehmen?

Das Bischofsamt ist kein Thema für mich. Ich weiss, dass verschiedene Namen herumgereicht werden, eben auch meiner. Ich empfinde es als Zeichen der Verunsicherung, wie es in unserem Bistum weitergeht. Als Bischof ist man auch mit Kirchenpolitik konfrontiert. Das ist nicht mein Ding. Man kann ja auch schwerlich die Leitung einer Pfarrei mit der Leitung eines Bistums vergleichen. Hier in der Pfarrei Einsiedeln kann ich den Menschen nahe sein. Ich sehe meine Aufgabe hier.

Zur Person

ml. Basil Höfliger kam am 13. Oktober 1966 in Zürich zur Welt und ist in Wollishofen aufgewachsen. Er ist im Jahr 1987 ins Benediktinerkloster Einsiedeln eingetreten und hat im Klosterdorf sowie in Saint Meinrad (USA) Pastoraltheologie studiert. Die ewige Profess legte Basil Höfliger im Jahr 1991 ab. Vor knapp zehn Jahren übernahm er die Leitung der Pfarrei Einsiedeln. Basil Höfliger ist Dekan des Dekanats Ausserschwyz. Zu seinen Hobbys gehören Musik, Lesen und Wandern.

«Wir können nicht stehen bleiben. Vieles ist im Wandel, und das betrifft auch die Kirche.»

Für Pater Basil Höfliger ist das Bischofsamt kein Thema: Eher als in der Kirchenpolitik sieht er seine Aufgabe in der Pfarrei Einsiedeln, wo er den Menschen nahe sein kann. Foto: Magnus Leibundgut

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