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«Wenn es blitzt, fahre ich nicht auf dem Sihlsee»

«Wenn es blitzt, fahre ich nicht auf dem Sihlsee» «Wenn es blitzt, fahre ich nicht auf dem Sihlsee»

Auf dem Sihlsee gibt es einen neuen Kapitän: Bruno Häseli übernimmt nach erfolgreicher Prüfungsfahrt zusammen mit Chefkapitän Franz Schönbächler das Schiffsruder an Bord der «Angelika».

MAGNUS LEIBUNDGUT

Hat Sie der Föhnsturm auf Ihrer Prüfungsfahrt auf dem Sihlsee tüchtig verblasen? Ganz im Gegenteil: Es herrschte dichter Nebel. Zum Glück war es tiefer Hochnebel, sodass ich den Steg am Ufer noch sehen und landen konnte. Er hat mir Glück gebracht: Ich habe die Prüfung bestanden!

Ich gratuliere Ihnen! Wann stechen Sie zum ersten Mal mit der «Angelika» in die hohe See? Morgen, am 1. November, führe ich die «Angelika» auf einer Familienfahrt. Am 3. November bin ich Kapitän auf der letzten Rundfahrt auf dem Sihlsee, bevor das Schiff definitiv in die Winterpause ans Trockendeck geht. Wieso gibt es keine Fahrten im Winter? Der Wasserstand ist zu niedrig. Ab 1. Juni geht es wieder los. Wäre zu diesem Zeitpunkt der See nicht auf der Höhe von 887,34 Metern, müsste das Etzelwerk den Vierteln am See «Muggengeld» zahlen. Geht mit dem Job als Kapitän ein Bubentraum für Sie in Erfüllung? Als Bub bin ich mit meinem Vater auf den See gefahren, um zu fischen. Interesse am Kapitänsjob habe ich allerdings erst später gefunden, als ich auf der Zürichsee- Fähre Alarmanlagen inspizierte und mich dann als Fährenpilot beworben habe. Über welche Fähigkeiten muss ein Kapitän verfügen? Er sollte neben technisch-mechanischem Flair gute Augen besitzen und im Gefühl haben, wie man auf Wasser fährt: Der Bremsweg und das Kurvenfahren sind komplett anders als mit dem Auto auf der Strasse.

Wie fühlt sich das Fahren und Führen des Motorschiffs «Angelika » an? Es ist kein einfaches Unterfangen, weil das Schiff mit Baujahr 1982 eine starre Achse ohne Seitenmotoren hat. Das macht das Anlegen am Steg schwierig. Nichtsdestotrotz liebe ich die «Angelika» über alles. Sind Sie fürs Erste als Matrose im Einsatz gestanden?

In der Tat! Der normale Ausbildungsgang sieht neben Theorie und Praxis auch das Arbeiten als Leichtmatrose vor. Allerdings führt man als Kapitän auf dem Sihlsee das Schiff alleine, weil es keine Matrosen an Bord gibt. Falls denn einmal die «Angelika » untergehen sollte: Können Sie schwimmen? Die «Angelika» geht nicht so schnell unter, denn es ist ein gutes Schiff. Aber ich kann Ihnen versichern: Ich kann schwimmen (lacht)!

Möchten Sie Ihren alten Beruf an den Nagel hängen und sich ganz dem Schiffmannsleben verschreiben? Ich fahre vor allem abends und am Wochenende auf dem See. So lässt sich der Kapitänsjob gut mit meinem Hauswartsjob vereinbaren. Viele Kapitäne gibts auf dem See nicht. Woran liegt die Personalknappheit begründet? Ich musste ganze fünfzig Tage à fünf Stunden auf dem See verbringen, um zur Prüfungsfahrt zugelassen zu werden. Und die Lizenz gilt nur für den Sihlsee! Was bedeutet Ihnen der Sihlsee?

Er bedeutet mir alles (lacht)! Ich fahre regelmässig mit meinem Fischerboot auf den See um Hechte und Zander mit einem Kunstköder zu fangen. Und ich bin immer wieder überwältigt von der Morgen- und Abendstimmung am See, wenn die Sonne und der Mond ihr Licht auf das Wasser werfen. Wenn es blitzt, fahre ich allerdings nicht auf dem Sihlsee.

Foto: Magnus Leibundgut

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