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Schnürlischrift

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ZWISCHENLUEGETEN 3

IDA OCHSNER

Im Unterdorf drücken sieben Damen die Schulbank! Freiwillig versteht sich. Und so sassen Vroni und ich fast andächtig vor der Lehrerin. Das Material stand bereit, auch Erfrischungen, damit wir nicht vorzeitig schlapp machen. Worauf es wirklich ankäme, seien Musse und Geduld, wenn wir wieder lernen, was wir längst verloren haben: von Hand schön zu schreiben. Am Anfang reichen ein Zettel und Bleistift, meinte Fräulein Fischli. Sie fragte jede Dame, warum sie den Kurs besuche.

Zwei jüngere Damen haben Grösseres vor: Sie arbeiten im «Customer Experience Management » einer Bank und möchten zukünftig für Grosskunden schöne Dankeskarten schreiben. Eine Lehrerin möchte ihre Hochzeitseinladungen kreieren. Zwei Frauen aus einem Viertel wollen Weihnachtskarten für den Basar schreiben. Vroni hatte keine Ahnung und ich, als Letzte, wollte dem Heiri eine Überraschungs-Karte schicken.

Nun volle Konzentration! Jetzt heisst es wieder alte, richtige Schnürlischrift lernen. Schön zu schreiben ist die einzige Möglichkeit, einem Wort Emotion zu verleihen. Fräulein Fischli schrieb das Wort «Liebe» einmal nüchtern, dann verspielt oder kindlich, dann auch in Fraktur- oder Urkundenschrift, schliesslich ganz romantisch auf die Tafel.

Zur Sicherheit nahm ich eine «traditionelle» Schnürlischrift für den Heiri. Das passt recht gut und ist einfach zu schreiben. Wie ein braver Erstklässler schrieb ich «Heiri» und rings herum zeichnete ich einen Kranz voller Reben. Als Abschluss platzierte ich seinen schlafenden Dackel Maxi dazwischen. Fräulein Fischli fand «diesen Wollknäuel unten» unpassend!

* Ida Ochsner (62), verlobt mit Heiri Strohmayer (65), steirischer Winzer. Ida zeichnete einen Rebenkranz. Heiri bekam viele reife Trauben. Ohne Wollknäuel.

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